11. Juni 2017

_23_2017: Die documenta 14 beginnt

100 Tage Kunst in Kassel, die documenta 14 hat am Samstag begonnen. Am Freitagabend war ich in der Innenstadt und habe schon mal ein bisschen diese besondere Stimmung genossen und mir ein paar »Außenkunstwerke« angeschaut.

Heute war ein ganz besonders schöner Frühsommertag, den wir sehr faul genossen haben. Mit einem ausgedehnten Gartenfrühstück mit Freunden im Schatten des Apfelbaumes. Der Sommer kann gerne so weitergehen. Mit der documenta und bestem Sonnenschein.

Zum Lesen bin ich auch mal wieder gekommen. Zum Einen, weil ich Freitag und Samstag viel Bus gefahren bin und es dabei geschafft habe, meine letzte Wühltisch-Errungenschaft zu lesen: Der längste Tag des Jahres von Tanja Dückers. Bücherwühltische ziehen mich magisch an. Komme ich beim Einkaufen an einem vorbei, muss ich – und ich kann es noch so eilig haben – unweigerlich stehen bleiben und mir möglichst jedes Buch anschauen. Und ab und zu wandert dann eines mit nach Hause auf meinen Stapel ungelesener Bücher. Da ich für die Busfahrten ein dünnes, leichtes Buch brauchte, kam mir dieses gerade recht. Ich erinnerte mich wegen des Covers und des Titels daran, dass ich es schon als gebundenes Buch in der Hand hatte, als es vor einigen Jahren herauskam, und es mich damals schon interessierte.

Im Garten heute las ich weiter in dem Buch Schlafen werden wir später von Zsuzsa Bánk und bin dann bei den darin erwähnten Urworte[n]. Orphisch von Johann Wolfgang von Goethe hängengeblieben:
ΔΑΙΜΩΝ, Dämon

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

ΤΥΧΗ, Das Zufällige

Die strenge Grenze doch umgeht gefällig
Ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt;
Nicht einsam bleibst du, bildest dich gesellig
Und handelst wohl so, wie ein andrer handelt:
Im Leben ist’s bald hin-, bald widerfällig,
Es ist ein Tand und wird so durchgetandelt.
Schon hat sich still der Jahre Kreis geründet,
Die Lampe harrt der Flamme, die entzündet.

ΕΡΩΣ, Liebe

Die bleibt nicht aus! – Er stürzt vom Himmel nieder,
Wohin er sich aus alter Öde schwang,
Er schwebt heran auf luftigem Gefieder
Um Stirn und Brust den Frühlingstag entlang,
Scheint jetzt zu fliehn, vom Fliehen kehrt er wieder,
Da wird ein Wohl im Weh, so süß und bang.
Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen,
Doch widmet sich das edelste dem Einen.

ΑΝΑΓΚΗ, Nötigung

Da ist’s denn wieder, wie die Sterne wollten:
Bedingung und Gesetz; und aller Wille
Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten,
Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille;
Das Liebste wird vom Herzen weggescholten,
Dem harten Muß bequemt sich Will und Grille.
So sind wir scheinfrei denn, nach manchen Jahren
Nur enger dran, als wir am Anfang waren.

ΕΛΠΙΣ, Hoffnung

Doch solcher Grenze, solcher eh’rnen Mauer
Höchst widerwärt’ge Pforte wird entriegelt,
Sie stehe nur mit alter Felsendauer!
Ein Wesen regt sich leicht und ungezügelt:
Aus Wolkendecke, Nebel, Regenschauer
Erhebt sie uns, mit ihr, durch sie beflügelt;
Ihr kennt sie wohl, sie schwärmt durch alle Zonen;
Ein Flügelschlag – und hinter uns Äonen.


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Die Bilder der 22. Woche